(Die heimatlosen Drei Könige) Italien / Deutschland / Frankreich 1996 Regie: Sergio Citti |
93 min., 35mm, 1:1.66, Farbe
Produktion: I.P.S. Ideazione Produzione Servizi S.t.I., Rom; Journal Film, Berlin; Les films sans frontières, Paris. Buch: Sergio Citti, David Grieco, Michele Salimbeni. Kamera: Franco di Giacomo. Ausstattung, Kostüme: Danilo Donati. Requisite: Maurizio D'Achille. Musik: Ennio Morricone. Licht: Valerio Garzia. Ton: Bruno Pupparo. Schnitt: Ugo de Rossi. Regie-Assistenz: Gianluca Mazzella. Aufnahmeleitung: Emanuele Lomiry, Andrea Mattei, Karsten Piel. Produktionsleitung: Ornella Bernabei. Produzent: Francesco Torelli. Darsteller: Silvio Orlando (Melchior), Patrick Bauchau (Kaspar), Rolf Zacher (Balthasar), Gastone Moshin (Don Gregorio), Nanni Tamma (Heiliger Vater), Laura Betti (Barackenbewohnerin), Franco Citti (Hl. Joseph), Ninetto Davoli (Barackenbewohner), Roberto Simmi (Heiliger König), Bob Tron (Heiliger König), Osvaldo Buoso (Heiliger König), Giampaolo De Santis, Claudia Dresselmann, Romana Meggiolaro, Stella Condorelli, Sasha Altea u.a. Uraufführung: 31. August 1996, Venedig. Weltvertrieb: I.P.S. Ideazione Produzione Servizi, Via Flaminia, 217, I-00196 Roma, Tel.: (39-06) 3208737, Fax: (39-06) 3208735. |
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Fr 14.02. 17:00 Akademie der Künste |
I MAGI RANDAGI ist die Geschichte dreier Seiltänzer - eines Franzosen, eines Italieners und eines Deutschen -, die durch Italien reisen. Sie gehörten zu einem inzwischen aufgelösten Zirkus, der ein Opfer unserer Zeit wurde wie die meisten Dinge, die eine eigene Poesie besitzen. Die drei Seiltänzer haben so gut wie keine Requisiten und auch keine Tiere mehr. Aber gerade deshalb sind ihre Darbietungen absolut außergewöhnlich. Mit ihren Verkleidungen erwecken sie nämlich die wirklichen Bestien zum Leben, die sich frei im Zoo dieser Welt herumtreiben: schreckliche Tiere, blutrünstig und gnadenlos wie Mafiakiller oder Nazis. Ist nicht der Mensch selbst heutzutage das beste Beispiel für eine wilde Bestie? Aber diese Allegorie versteht nicht jeder. Tatsächlich werden ihre Zuschauer regelmäßig ungeduldig, und die Vorstellungen müssen immer vorzeitig abgebrochen werden. Nicht selten sehen sich die drei Seiltänzer sogar dazu gezwungen, sich anschließend so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen.
Auf ihrer Reise - die uns zwar lustig erscheint, ihnen aber weniger - werden die drei von einem Dorfpfarrer als die Heiligen Drei Könige in einer traditionellen ,Lebenden Krippe' engagiert. So wird aus dem Franzosen Balthasar, aus dem Deutschen Kaspar und aus dem Italiener Melchior. Aber warum wurde das Jesuskind in der Krippe durch eine Porzellanpuppe ersetzt? Das Rätsel ist schnell gelöst: In dem Dorf kommen schon seit Jahren keine Kinder mehr auf die Welt. Kinder machen viel zuviel Arbeit, sind laut, schmutzig und vor allem teuer. Im Zweifelsfall ist es immer noch besser, sich ein neues Auto anzuschaffen, als ein Kind in die Welt zu setzen - so denkt man in diesem Dorf. Nach der Aufführung verbringen die drei Seiltänzer die Nacht im Stall. Aber bevor sie einschlafen, erscheint ihnen ein wunderschöner Komet am Himmel. Alle drei haben ihn gesehen, aber jeder tut so, als sei nichts gewesen: vielleicht war es ja nur eine Halluzination, oder vielleicht denkt jeder für sich, er sei der einzige Auserwählte gewesen. Schließlich verläßt jeder von ihnen heimlich den Stall, um dem Stern allein zu folgen. Sie wandern kreuz und quer durchs Land, bis sie schließlich wieder aufeinandertreffen und begreifen, daß sie wohl doch die Auserwählten sind, die den neuen Messias finden müssen, der all dem Unrecht auf der Welt ein Ende machen soll. Aber ist das nun Wirklichkeit oder Traum? Das kann man nie wissen - aber ohne Träume können wir nicht leben...
Sergio Citti ist sowohl Schüler von Pier Paolo Pasolini als auch dessen Lehrer. Als Schüler kennen ihn alle. Sergio Citti gilt seit vielen Jahren als einziger Nachfolger Pasolinis im Bereich des Films.
Warum aber Lehrer? Nur wenige wissen, daß Accatone, der erste legendäre Film von Pasolini, auf eine Idee, genauer gesagt: auf einen Traum Sergio Cittis zurückgeht. Außerdem - das dürfte mittlerweile vielen bekannt sein - war es Citti, der Pasolini in die Welt des römischen Subproletariats einführte, die zur wichtigsten Inspirationsquelle des großen Poeten werden sollte.
Seit Jahren bemühen sich italienische Produzenten darum, Citti zur Realisierung einiger der unvollendeten Projekte Pasolinis zu bewegen, doch bisher lehnte er das stets ab. Sergio Citti ist ein angesehener Filmautor und war dies auch schon lange vor dem tragischen Tod Pasolinis. Seit mehr als zwanzig Jahren macht Citti ausschließlich eigene Filme, die immer authentisch, immer poetisch, immer bescheiden sind. In seinen sieben Spielfimen sind einige der wichtigsten internationalen Filmstars aufgetreten. Zu seinen Schauspielern zählten u.a. Jodie Foster, Catherine Deneuve, Michele Placido und Ugo Tognazzi in Cassotto, Vittorio Gassman und Philippe Noiret in Due pezzi di pane, Roberto Benigni in Il minestrone und Malcolm McDowell sowie ein weiteres Mal Gassman in Mortacci.
Diese Vorbemerkung ist wichtig angesichts des Umstands, daß Cittis I MAGI RANDAGI auch ein Projekt von Pasolini war. Doch mit dessen Pornoteokolossal, dem Film also, an dem Pasolini arbeitete, bevor er am 2. November 1975 auf tragische Weise ums Leben kam, hat I MAGI RANDAGI nicht mehr viel zu tun: Tatsächlich hat Sergio Citti die Geschichte in der Zwischenzeit modernisiert und komprimiert. Unverändert geblieben ist nur das eigentliche Thema, die dem Film zugrundeliegende Idee.
So bleibt Citti mit diesem Film, einer Hommage an seinen unvergeßlichen Lehrer, zugleich seinem eigenen Kino treu.
Sergio Citti wurde 1933 in Rom geboren. 1951 lernte er zufällig den Schriftsteller Pier Paolo Pasolini kennen, dessen Freund er wurde und der ihn als seinen ,sprachlichen Berater' bezeichnete. Pasolini bat ihn um seine Hilfe bei seinen Büchern - den Romanen ,Ragazzi di vita'(1955), ,Una vita violenta' (1959), der Erzählung ,Ali dagli occhi azzurri' (1965) - und den ersten Mitarbeiten an Drehbüchern (‘Le notte di Cabiria', 1956, und ,La dolce vita', 1959). Von 1959 an intensivierte sich die Mitarbeit Cittis an Pasolinis Drehbüchern, obwohl er bis 1960 weiterhin auch anderen Berufen nachging. Jedoch nicht immer erscheint sein Name im Abspann der Filme, an denen er mitarbeitete, sei es auf Entscheidung der Produktion hin oder aus persönlichen Gründen, wie bei Ragazzo di borgata von Giulio Paradisi (1976).
1971: Ostia (Forum 1971). 1973: Storie scellerate. 1977: Casotto. 1979: Due pezzi di pane. 1981: Il minestrone. 1985: Sogni e Bisogni. 1987: Violenza negli stadi (TV-Kurzfilm); La maternità (TV-Kurzfilm); La communicazione (TV-Kurzfilm); L'orgasmo (TV-Kurzfilm. 1989: Mortacci. 1996: I MAGI RANDAGI.
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