USA 1996 Regie: Jeff B. Harmon |
98 min., 35mm, 1:1.85, Farbe, engl. OV, WP
Produktion: BFA Productions Ltd., Los Angeles. Buch: Jeff B. Harmon. Kamera: Clark Mathis. Musik, Texte: Jeff B. Harmon. Musikalische Leitung: Anthony England. Choreographie: Gail Conrad. Kostüme: Fayette Hauser. Make-up und Frisuren: Tony Cupstid. Bauten: Martin Roy Mervel. Ausstattung: Richard McGuire. Ton: Pat Toma. Schnitt: Duncan Burns. Produzenten: Jeff B. Harmon, Daniel L. Stoecker. Darsteller: Kirsten Holly Smith (April Pfferpot), Danica Sheridan (Blatz Balinski), Jeff B. Harmon (Papa Pfferpot/Dr. Sigmoid Colon), Sonya Hensley (Emphysema Jones), Janet Krajeski (Mama Pfferpot), Alex Boling (Lance), Michael Dotson (Dick Dickson), Sabrina Lu (Doris), Dionysius Burbano (Viv), Calvin Grant (The Bomb). Uraufführung: 17.2.1997, Internationales Forum des Jungen Films. Weltvertrieb: BFA Productions Ltd., 8205 Santa Monica Blvd., Suite 1362, Los Angeles, CA 90046, USA. Tel.: (1-818) 997 6519, Fax: (1-818) 997 6519. |
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Mo 17.02. 24:00 Delphi Di 18.02. 22:00 Kino 7 im Zoo Palast Do 20.02. 15:00 Arsenal |
Die beiden Welten kollidieren an April Pfferpots Hochzeitstag. April, eine bibelfeste Schönheit, ist im Begriff, dem örtlichen Football-Helden Dick Dickson ihr Jawort zu geben. Stattdessen erleidet unsere Heldin einen Hochzeits-Rappel und versucht sich zu erschießen. Als sie abdrückt, wird sie durch den Schlafzimmerspiegel gesaugt. Sie findet sich inmitten einer heidnischen Zeremonie auf der ISLE OF LESBOS wieder - einer lesbischen Version des Zauberers von Oz. April ist völlig verschreckt, besonders, als ihr plötzlich Blatz Balinski gegenübersteht, die ständig Bier trinkende Tyrannin der Insel. Obgleich Blatz mit dem Charme und der Schönheit von Fred Feuerstein ausgestattet ist, erobert sie schließlich Aprils Herz.
In Bumfuck drehen derweil Mutter und Vater Pfferpot völlig durch, als sie entdecken, daß ihre kleine April ein 'Leckermaul' ist. Verzweifelt versuchen sie, ihre Tochter zurückzuholen... so verzweifelt, daß sie Dr. Sigmoid Colon konsultieren, einen unheimlichen Wiener Tierarzt, der auf die Behandlung von Homosexuellen spezialisiert ist. Unglücklicherweise entwickelt aber Dr. Colon ein spezielle Vorliebe für Dick Dickson. Alle berredungskunst fruchtet aber nichts, und es geschehen üble Dinge in Bumfuck.
Der sitzengelassene, schwerbeleidigte Dick Dickson feuert sich mit dem Maschinengewehr durch Lesbos, um April zu finden. Aber dann läßt sich der 'Rambo' von Bumfuck von der 'gleichgeschlechtlichen Liebe' überwältigen. Der wütende Vater läßt mit Hilfe von Präsident Clinton eine Nuklearrakete hochgehen, die sich in einem Regierungssilo der U.S.-Regierung auf seinem Land befand. Zu seinem großen Kummer ist es eine Schwulen-Bombe, die eine spektakuläre Nummer abzieht, ihren Kurs ändert und die gesamte Ostküste Amerikas zerstört.
Fünfzehn eigens für diesen Film komponierte Songs und die abgedrehten Figuren werden Zuschauer jeder Glaubensrichtung begeistern ... nur lassen Sie bitte die Kinder zu Hause!
In Bumfuck, Arkansas:
April Pfferpot, die Naive. Süß und bescheiden. Eine hundertprozentige amerikanische Braut in spe. Aber unter dem Hochzeitskleid verbirgt sich eine Ketten- und Leder-Lesbe, die nicht mehr auf dem Bauernhof zu halten ist.
Dick Dickson, der ultimative Hetero, High-School Football-Held und Aprils Verlobter. Sogar der Rotarier-Club ist zu progressiv für den größten Spießer von Bumfuck. Ein Macho durch und durch, bis Lesbos ihn völlig umpolt.
Ma Pfferpot, Aprils puritanische Mutter, eine Bäuerin. Sie ist Patriotin bis in ihre baumwollpflückenden Fingerspitzen. Neben ihr erscheint Betsy Ross wie eine rote Socke.
Pa Pfferpot, Aprils Vater. Ein knurriger Schlappschwanz mit allen Qualitäten, die man bei einem bigotten, pöbelnden Einwohner von Bumfuck, Arkansas vermuten würde. Um die Wahrheit zu sagen: Pa begehrt Ma. Rührend, wenn man bedenkt, daß Pa sie schon sein Leben lang kennt - wo sie doch seine jüngere Schwester ist.
Der Wiener Psychiater Dr. Sigmoid Colon darf die Stadt betreten, nachdem eine Welle der Homosexualität über Bumfuck hinweggegangen ist. Dr. Colons Behandlung von Abweichungen und Verkehrungen dieser Art schlägt bei Mensch und Tier gleichermaßen an. Obwohl Dr. Colon sowohl Jung als auch Freud studiert, ähnelt seine Denkweise eher der von Danny Kaye.
Auf Lesbos:
Blatz Balinski, die höchste Herrscherin auf Lesbos, erinnert an einen als Diesel-Lesbe wiedergeborenen Fred Feuerstein. Für die Welt der Heteros ist Blatz ein Alptraum von Lesbe. Sie ist dick, gemein und walzt alles nieder. Das Herz dieser Bier saufenden Tyrannin schmilzt dahin, als April auf die Insel kommt.
Emphysema Jones, die Hohepriesterin von Lesbos. Sie ist eine schwarze Rythm&Blues-Sängerin, deren gute Ratschläge keinen falschen Klang haben. Sogar Blatz wird erleuchtet, wenn Emphysema Sapphos Worte predigt.
Doris und Viv, Blatz' Prätorianerinnen. Doris ist eine schicke asiatische 'Lipstick-Lesbe' und Viv eher der temperamentvolle maskuline 'Latina'-Typ. Seit der Kindheit ineinander verliebt, versetzen Doris' Flirts Viv immer noch in eifersüchtige Raserei.
Lance the Fruitball Slave ist der einzige Mann auf der Insel. Lance wurde geboren, um zu tanzen. Aufgrund seines schlechten Karmas stieg Lance vom Ballettstar zum Cinderello auf Lesbos ab. Wenn er nicht gerade saubermachen muß, hält man ihn in einem Kerker, wo er einen leidenschaftlichen Haß auf Blatz und alles Lesbische kultiviert. Lance kann seinem Schicksal nur entrinnen, wenn sich ein hübscher Hetero-Hüne unsterblich in ihn verliebt. Doch dieser schöne Traum scheint immer unwahrscheinlicher zu werden.
Max Stahl: Glaubst Du, daß ISLE OF LESBOS, ähnlich wie Deine Dokumentarfilme, viel Staub aufwirbeln wird?
Jeff B. Harmon: Was denkst Du denn?! Dieser Film bietet allen Zuschauern etwas Amüsantes oder Provozierendes. ISLE OF LESBOS wird bei allen Anstoß erregen, keiner wird ausgeschlossen. (...)
M.S.: Du hast Dir mit einem Musical eines der schwierigsten Genres überhaupt ausgesucht. Und du schreibst nicht nur, produzierst und fungierst als Regisseur, sondern Du komponierst auch die Musik und spielst zugleich zwei Rollen. Hast du Dich nicht gefragt, ob Du Dir vielleicht mehr vorgenommen hattest, als Du eigentlich schaffen konntest?
J.B.H.: Wie Du weißt, bin ich unersättlich. Ohne eine Herausforderung kann ich nicht gut leben, warum also nicht aufs Ganze gehen? Es hat doch geklappt und allein das zählt. Wenn's nicht geklappt hätte, wäre das ganz allein meine Schuld gewesen, und damit hätte ich gut leben können. Das Risiko überhaupt nicht einzugehen - damit hätte ich nicht leben können.
M.S.: Ich bin ja selbst Schauspieler und deshalb umso überraschter und beeindruckter von Deiner Darstellungsweise. Hast Du auf eine bestimmte Methode zurückgegriffen?
J.B.H.: Bestimmt nicht auf die Stanislawski-Methode. Ich hatte immer ein Talent für Dialekte und die Entwicklung von Figuren. Wenn ich einmal eine Figur verstanden habe, kann ich mich leicht in sie hineinversetzen.
M.S.: Hat es Dich nicht irritiert, daß Du als Regisseur und als Schauspieler zugleich fungieren mußtest?
J.B.H.: Irritiert war ich nicht, ich hatte nur schreckliche Angst. Ich hatte seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gespielt und wußte überhaupt nicht, ob ich fotogen bin. Dann passierte etwas Merkwürdiges. An den Tagen, an denen ich spielte, wich meine Anspannung ganz von mir, und ich war an diesen Tagen wesentlich ruhiger als an denen, wo ich als Regisseur fungierte. Außerdem half mir der 'Video-Assistent' enorm. Ich konnte sofort alles auf Video anschauen und entscheiden, ob wir es so lassen konnten oder nochmal drehen mußten. Das Wichtigste war, daß ich meine Rolle als Schauspieler und meine Funktion als Regisseur voneinander trennen konnte. Das war notwendig, um nicht anmaßend zu werden.
M.S.: Was mich erstaunt hat, ist die Tatsache, daß Du eine musikalische Komödie mit dem Budget für einen unabhängigen Film gemacht hast. Choreographie und musikalische Nummern gibt es sonst selten in unabhängigen abendfüllenden Filmen. (...)
J.H.B.: Das Budget habe ich einfach ignoriert. Es kam mir darauf an, ein Musical im Technicolor-Stil zu machen, also habe ich alle dazugehörenden Elemente analysiert und sie Stück für Stück bearbeitet. Nachdem ich das Buch und die Lieder geschrieben hatte, fand ich einen erstklassigen musikalischen Leiter in England, Anthony England. Er hat die Musik arrangiert und ein Orchester zusammengestellt. Wir haben alle Songs ohne Stimmen aufgenommen, denn der Film war ja noch nicht besetzt. Selbst die Finanzen hatte ich noch nicht geregelt.
M.S.: Hast Du da das Pferd nicht von hinten aufgezäumt?
J.B.H.: Was sollte ich denn sonst tun? Warten, bis Paramount mir seine Unterstützung zusagen würde? Wenn ich das Projekt nicht an irgendeiner Stelle in Angriff genommen hätte, dann würde ich die Melodien noch heute beim Duschen vor mich hinsummen.
M.S.: Was hast Du den Musikern gesagt?
J.B.H.: So wenig wie möglich. Weißt Du, wir haben die Musik in Reading aufgenommen. Das ist eine sehr konservative Stadt, und Anthony war etwas besorgt, wie die Musiker auf ein lesbisches Musical reagieren würden. Keine der Noten war mit Text unterlegt, manche hatten nicht einmal den ganzen Titel. 'Bumfuck, Arkansas' hieß 'B.F.Arkansas', 'I'm A Lesbian' hieß nur 'I'm A...' Aber es klang großartig.
M.S.: Was geschah, als es herauskam?
J.B.H.: Sie lachten. Die Orchestermitglieder waren durchgehend Männer, aber ich nannte sie 'Das königliche BFA-Mädchen-Orchester.' (BFA ist die Abkürzung für Bumfuck, Arkansas). Wenn sie dieser Tage in Reading auftreten, dann spielen sie um der guten, alten Zeiten willen immer ein paar Akkorde von 'Bumfuck, Arkansas' an. Wenn sie sich auf der Straße begegnen, tauschen sie den BFA-Gruß aus. Und das ist gut so, denn Reading kann ein bißchen Profanes gut gebrauchen. Schließlich hat dort Oscar Wilde im Gefängnis gesessen. (...)
M.S.: Inwiefern hat Dich Deine Karriere als Dokumentarfilmer auf die Produktion von abendfüllenden Filmen vorbereitet?
J.H.B.: Was ich in den zehn Jahren als Dokumentarfilmer gelernt habe, ist von unschätzbarem Wert. Mit einer Ausnahme habe ich alle meine Filme unter den extremsten Umständen gedreht im Krieg. Die einzige Ausnahme war Saddams Iraq, den ich unter einer paranoiden Diktatur filmte, die mir kriegsähnlich anmutende Probleme machte. Stell Dir mal vor, in Nazideutschland oder Stalins Sowjetunion zu filmen. In meinen anderen Filmen mußte ich dem Chaos einen Sinn geben. Mir stand nur ein Minimum an Ausrüstung und ein kleines Team zur Verfügung. Im Krieg fliegen dir echte Kugeln um den Kopf, da kann man alles nur einmal drehen. Auch wenn das Inszenieren und Produzieren von abendfüllenden Filmen zahllose Probleme aufwirft, ist die Infrastruktur einer Filmproduktion dennoch ein reiner Luxus, denn man kann die Aufnahmen beliebig oft wiederholen. Mit Dokumentarfilmen macht man eine harte Schule durch, denn man muß mit einem kleinen Budget Wunder vollbringen und vor allem in Krisen blitzschnell reagieren. (...)
M.S.: Wie würdest Du den schlimmsten Tag der gesamten Dreharbeiten bescheiben?
J.B.H.: (...) Das war der Tag, als der Ausstatter einen Herzanfall hatte und der Caterer sich nicht blicken ließ, weil sein Rottweiler einen mexikanischen Eindringling umgebracht und gefressen hatte. Laut Drehplan sollten wir bis Mitternacht filmen. Es war 23.30 Uhr, wir waren gerade dabei, die letzte Szene für diesen Tag zu filmen und ich saß in Vaters Schaukelstuhl, als ein Teil des Sets auf den Co-Ausstatter fiel. Er stieß einen schrecklichen Schrei aus, und ich dachte zuerst, er wäre tot. Ich sprang vom Schaukelstuhl auf und rief nach einem Krankenwagen. Fünf Minuten später saß ich wieder im Schaukelstuhl und sang 'Ich bin eine Lesbe'. Um Mitternacht waren wir mit dem Filmen fertig. Der Co-Ausstatter überlebte den Unfall. Und trotz der schrecklichen Dinge, die an diesem Tag geschehen waren, hatten wir unser Drehsoll erfüllt. Wir haben das Drehen kein einziges Mal unterbrochen.
M.S.: Am Drehort hast Du mit eiserner Hand regiert. Muß man denn wirklich ein 'Film-Führer' sein, um die Dinge im Griff zu behalten?
J.B.H.: Jeder Regisseur hat seinen Stil. Ich will einmal meine Position und meine Philosophie des Filmemachens erläutern. Es liegt in der Natur der Sache, daß Filmemachen ein Gemeinschaftsprojekt ist. Es funktioniert allerdings am effektivsten, wenn die Vision des Filmemachers den Prozeß prägt. Der erfolgreiche Autor/Regisseur definiert die Parameter seiner Ideen, läßt aber innerhalb dieses von ihm gesetzten Rahmens durchaus kreative Freiheit zu. Für ISLE OF LESBOS zum Beispiel habe ich ein Video mit Clips aus über fünfzig Filmen zusammengestellt, die mit Produktion, Kostümentwurf, Kinematographie etc. zu tun hatten. Das war für die jeweils Zuständigen eine große Erleichterung, weil sie so genau wußten, worauf es mir ankam. Ich wollte nicht, daß sie die Dinge einfach abkopierten; vielmehr sollten sie sich inspirieren lassen und ihre eigenen originellen Entwürfe im authentischen Stil der vierziger Jahre kreieren. (...)
Mit meinen Mitarbeitern hatte ich viele Besprechungen, bei denen nicht nur die verrücktesten Ideen des Films entstanden, sondern die eine gemeinsame Wellenlänge förderten. Während der Planungsphase gab es überhaupt keine Einschränkungen. Aber sobald ich eine Entscheidung getroffen hatte, blieb es dabei, und ich beschäftigte mich mit der nächsten Sache. Mit den Schauspielern lief es ähnlich. (...) Kurzum: In der Vorphase der Produktion konnte jeder etwas beitragen und wurde auch angehört. Die Produktionsphase war dann nur noch ein Vorwärtspreschen, bei dem keine weiteren Ideen mehr berücksichtigt werden konnten. ISLE OF LESBOS hatte eine mörderische Zeitplanung, die eine demokratische Handhabung völlig ausschloß. Ich denke, daß meine Perspektive durch zwanzig Jahre Kriegsberichterstattung geprägt ist. Und für mich ist Filmemachen der totale Krieg. (...)
Jeff B. Harmon, geboren am 31. Dezember 1953, wurde als Filmemacher mit diversen Preisen ausgezeichnet. Früher arbeitete er lange Zeit als Kriegsberichterstatter und berichtete u.a. über die Krönung von Kaiser Bokassa, den Fall von Idi Amin, die Nazi-Untergrundbewegung in Paraguay, den Krieg in El Salvador und über den Krieg in Afganistan.
Ouverture (The Royal BFA All Girl Orchestra), 'Isle of Lesbos' (Doris, Blatz, Viv, Emphysema & April), 'Bumfuck, Arkansas' (Pa), 'Lance's Lament' (Lance), 'I'm a Lesbian' (April, Ma & Pa), 'Homosexuality' (Dr. Colon & Townsfolk), 'Wedding Bells Ain't Ringing' (Dick Dickson), 'Same Sex Love' (Lance & Dick Dickson), 'They Got the Bomb' (The Bomb and Ensemble), 'Mom & Apple Pie' (Ma & Pa), 'Isle of Lesbos Reprise' (Ensemble), 'A New Age A Comin' (Emphysema & Ensemble), 'The Lady is a Dyke-atrian' (Lance-Jeff B. Harmon rendition & Dick).
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