USA 1996 Regie: Todd Verow |
85 min., 16mm, 1:1.37, Farbe, WP
Produktion: Bangor Films, Boston. Produzent, Buch, Kamera: Todd Verow. Co-Autor, Mit-Produzent: James Dwyer. Co-Produzentin: Lisa Correia. Ausführende Produzenten: L. Diane Fortier, Robert Jason. Musik: Milo Jones, The Jose Fist, Theta Bara, Glissenette, Noel McKenna, Lisa Sirois, Herwig Maurer, Robert Jason. Schnitt: Jared Dubrino. Standphotograph: James Dwyer, Todd Verow. Koordination der Postproduktion: Kate Conroy. Kommentar: James Dwyer. Darsteller: Bonnie Dickenson (Frances), Todd Verow (Paul), Linda Eknoian (Rita), Rita Gavelis (Kate), P.J. Marino (Brian), Castalia Jason (Frances' Schwester), Leanne Whitney (Lisa), Bill Dwyer (Bill), Eric Sapp (neurotischer Mann), Maureen Picard (Witwe), Eric Romley (John). Uraufführung: 19.2.1997, Internationales Forum des Jungen Films. Weltvertrieb: Bangor Films, 111 Hillside St. #3, Boston, MA. 02120 USA, Tel. (617) 734 1188. |
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Mi 19.02. 16:30 Kino 7 im Zoo Palast Mi 19.02. 22:00 Delphi Do 20.02. 13:00 Arsenal Fr 21.02. 22:15 Akademie der Künste So 23.02. 19:00 Babylon |
Durch die Verwendung von Video und Improvisationen evoziert der Film eine rauhe Stadtlandschaft mit wechselnden Personen, ungezügelter Energie und unstetem Leben, das immer wieder von vorne beginnt.
(...) LITTLE SHOTS OF HAPPINESS ist der erste Teil einer Trilogie, die ich schon seit längerem machen will. Nach meiner Rückkehr vom Festival in Deutschland werde ich mit den Vorbereitungen zu Shucking the Curve beginnen, dem zweiten Teil.
In meinen früheren Kurzfilmen gibt es ein Thema, das sich durch alle hindurchzieht: die Identität, genauer gesagt, die amerikanische Persona, ein psychedelisches Ungeheuer, das eine Populär-Kultur zwischen Genie und Mittelmaß hervorgebracht hat. In diesem Film nun wollte ich nur Schauspieler und mich selbst, keine Einmischung und keine Ablenkung. Die Hauptrolle gab ich Bonnie Dickenson, mit der ich schon in drei früheren Filmen von anderen Regisseuren sowie in Frisk zusammengearbeitet hatte; in diesen kleineren Parts hatte sie die anderen im besten Sinne an die Wand gespielt. Das Drehbuch beschränkte sich auf die grobumrissene Story, einen stream-of-consciousness-Kommentar und spontane Improvisationen. Wir filmten in Boston und Umgebung an Originaldrehorten. Die Musik kam von Bostoner Bands, die drei oder vier verschiedene musikalische Richtungen repräsentieren. Ich bin sehr stolz, das Resultat dieses Jahr in Berlin vorzustellen.
Der Monat, in dem ich die Frances in LITTLE SHOTS OF HAPPINESS spielte, verlief in jeder Hinsicht anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich kam in Boston an, bereit zu arbeiten, und hatte mein Drehbuch mit ausführlichen Notizen für jedes Gefühl und jeden Gedanken in den einzelnen Szenen versehen. Dank Sport, gesunder Ernährung und dem Umstand, daß ich passionierte Nichtraucherin und Nichttrinkerin bin, war ich in bester Verfassung. Ich war aufgeregt: endlich eine Rolle, eine Arbeit, in die ich mich stürzen konnte.
Nach der ersten Woche der Dreharbeiten war mir klar, daß meine Notizen völlig unbrauchbar waren. (...) Irgendwie, halb unbewußt, erkannte ich, daß diese Rolle mehr erforderte. Ich mußte Frances werden, aber wie?
Für die Dauer der Dreharbeiten lebte ich bei einer Freundin meiner Mutter (für die Unterbringung in einem Hotel stand kein Geld zur Verfügung). Ihre Tochter, die noch zur Schule geht, und ihr studierender Sohn freundeten sich mit mir an. Sie hatten gerade Sommerferien, und es gab jeden Abend eine Party. So wie Frances sich von ihrem Erwachsenenleben befreite, befreite ich mich von meinem. Ich erlebte meine Highschool-Zeit von neuem, aber diesmal mit dem Vertrauen und dem Wissen einer Erwachsenen. Ich konnte nicht anders als die Aufmerksamkeit zu genießen, die mir ein paar sehr energiegeladene achtzehnjährige Jungen schenkten; sie waren sprachlos, als ich ihnen mein Alter eröffnete - und betrachteten mich dann als eine ältere Schwester.
Nach der zweiten Woche rauchte ich eine Packung Zigaretten pro Tag und sah verächtlich auf Leute herab, die das Rauchen in Restaurants ablehnen. Ich begann, Frances' Phantasien und ihre Rebellion auszuleben. Ich fing zu trinken an wie sie, und zwar hemmungslos. Ganz plötzlich war ich Frances - und, Junge, war das ein Spaß!
Nach der dritten Woche begann mein neuer Lebensstil seinen Tribut zu fordern. Nach meinen nächtlichen Exkursionen sah ich am nächsten Tag auf dem Set müde und verquollen aus. Nicht ganz zufällig geriet auch Frances zu diesem Zeitpunkt ins Schlingern. Todd schien das nicht zu stören, ich glaube, er verstand, was da mit mir passierte. Und wenn es dem Film nützte... Außerdem brauchte er dadurch kein so schlechtes Gewissen haben, als er mich am hellichten Tag in einem engen schwarzen Kleid durch einen Springbrunnen rennen ließ.
Viel zu schnell war alles zuende. Ich mußte mich von meinen neuen Freunden verabschieden und weinte am Flughafen. Ich wollte nicht abreisen, ich wollte nicht zurück zu meinem langweiligen Erwachsenenleben. Mein Freund erkannte mich nicht, als ich zu Hause ankam. Ich interessierte mich nur für Rap-Musik, Camel-Lights und extraweite Jeans. Meine Freunde, alle zwischen zwanzig und dreißig, fand ich unglaublich langweilig. Ich vermißte Boston, und ich vermißte Frances.
Übrigens ist mein Leben inzwischen wieder normal. Ich habe aufgehört zu rauchen, meine Freunde sind doch nicht so schlimm, und ich bekomme von einem Glas Wein einen Schwips. Tja, zurück auf dem Boden der Tatsachen, denk ich mal.
Todd Verow wurde am 11. November 1966 in Bangor (Maine) geboren. Er studierte Film am American Film Institute und an der Rhode Island School of Design sowie Regie an der Brown University. Er hat als Kameramann bei Terminal USA, Totally F***'d Up und Mod Fuck Explosion mitgewirkt. LITTLE SHOTS OF HAPPINESS ist Verows zweiter Spielfilm. Sein erster, Frisk, wurde im Forum 1996 gezeigt. Zu seinen Kurzfilmen zählen u.a. V is for Violet, Built for Endurance, Gun, The Flesh is Willing und The Death of Dottie Love. Verow lebt zur Zeit in Boston.
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