(Meine Hände werden rauher, immer rauher) Deutschland / Schweiz 1996 Regie: Rudolf Barmettler |
46 min., 16mm, 1:1.37, Farbe
Produktion: Hochschule für Fernsehen und Film München. Buch, Schnitt: Rudolf Barmettler. Kamera: Matthias Rajmann. Assistenz: Christof Bilger. Ton: Regina Krotil. Aufnahmeleitung: Aldo Gugolz. Herstellungsleitung: Evelyne Stangassinger. Darsteller: Heinz Dolderer (Jakob), Lars Studer (Kurier I), Peter Macchi (Kurier II), Armin Furrer (Kurier III), Nicolai Rauch (der Ältere), Ingo Schweizer (Merkle), Urs Rüegger (Meier), Hense Dettli (Gärtner), Kenneth Huber (der Jüngere, Rekrut), Bruno Mathys (Spediteur), Simon Kern (BMW-Fahrer), Thomas Schärer (Bauer I), Rudolf Barmettler (Bauer II), Paul Kaiser (Bauer III), Madeleina Bundi (Serviertochter), Marietta Steiger (Stimme aus dem Auto), Regina Krotil (Unbekannte im Zug), René Rufer (Gast). Uraufführung: 15.2.1997, Internationales Forum des Jungen Films. Weltvertrieb: Hochschule für Fernsehen und Film, Abt. IV, Evelyne Stangassinger, Frankenthalerstr. 23, D-81539 München, Tel. (49-89) 68 000 440, Fax: (49-89) 68 000 489. |
|
Sa 15.02. 17:00 Akademie der Künste |
Ich halts nicht mehr aus, mitanzusehen, was aus der ältesten Demokratie Europas wird, wenn sich Heuchelei per Gesetz verankert und Gleichgültigkeit in der Wahrnehmung gegenüber jeder Art von weltweiter Ungerechtigkeit sich in Zynismus verwandelt.
Das Land mit dem größten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Wenn es um die Verwaltung von ausländischem Privatvermögen geht, stehen die Schweizer Banken gar an erster Stelle. Als Geldmarkt an dritter Stelle. Als Goldmarkt und auf dem Gebiet der Rückversicherung an erster Stelle. Ein Viertel bis ein Drittel der Fluchtgelder aus der Dritten Welt wird von Schweizer Banken verwaltet. Bestechungsgelder können von der Steuer abgesetzt werden.
Wie sehr sich wohl die legalen Betrügereien in der Mentalität ihres geschäftlichen Umgangs zum festen Bestandteil des menschlichen Charakters verinnerlichen werden?
Bei der vorliegenden Sittenschilderung handelt es sich weder um ein reines Lustspiel noch um ein Trauerspiel. Angestrebt wird die Nüchternheit einer wirklichkeitsannähernden Darstellung.
Betrachtet man allerdings das Aufeinandertreffen der verschiedenen Typen durch mehr oder weniger subtile Übertreibung, Ironie bis Spott, das indirekte Kritik- und Polemiküben an widersinnigen Konstellationen und abwegigen Zuständen, so wird die Wesensart bis zur Satire reichen.
Wo in der Schweiz künftig ein Gebäude sich aufrecken soll, umfassen Holzstelzen die geplante Ausdehnung der baulichen Maßnahme. Das Volk soll sehen, eingeweiht sein und gegebenenfalls Einspruch erheben. Im Januar/Februar 1996 staken Stecken verschiedenerorts im Kanton Luzern, um die herum ein paar Filmgenossen sich zu schaffen machten. Und genau an der vom morschen Ast im Moos, vom Zweig im Kies, vom Span im Schnee bezeichneten Stelle kam die Kamera zu stehen. In den Wochen zuvor, in der Klirrkälte allein, hatte der Filmemacher, Rudolf Barmettler, dort mit Skizzenblock gestanden und geschaut, ein paar Schritte gemacht zur Seite, nach hinten, geschaut und gekritzelt, gekritzelt, geschaut und markiert, diese Kamerastandpunkte bestimmt. (...)
Es ist Winter und es liegt ein wenig Schnee auf den Hängen rechts und links der Autobahnbrücke, Wald und Aufforstung, Buschwerk, der Ausläufer eines Feldes. Die Kamera steht unter der Brücke. Die drüberweg säuselnden Fahrzeuge donnern Paukenschläge aus der Stahlbetonkonstruktion, wenn ihre Reifen die Schwelle zwischen Brücke und Sockel passieren. Vorm Wald rechts rauscht ein Regionalzug vorüber. Jakob riesenschreitet den Steilhang der Unterführung hinab und läuft weiter auf dem drunter durch und wiederum über eine betonierte Brücke verlaufenden Weg. Verkehrswege und Natur, verwachsen.
Dieser Weg Jakobs, vom Finanzbüro im agrarischen Raum bis in die Stadt, folgt in den Einstellungen der sich verändernden Topographie. Es ist der tatsächliche Weg vom Dörfchen Reitnau in die Agglomeration von Luzern. Das Obstbaumgelände ist zunehmend zerklüftet von Immobilien, Verstädterung des Landes. Die Logik der Orte und damit verbunden Aufrichtigkeit waren Maßgabe für den Autor, nicht die Suche nach Attraktionen hie und da, welche sich - bei der sogenannten Montage - zum bunten Bilderbogen basteln ließen. Sehen, was um uns vorhanden ist, was um uns herum steht, wie es um uns steht - oder Staunen über Lügenpeterei? (...)
Getaucht wird er schlußendlich ins eisige Wasser einer Viehtränke von Bauern auf einem Hof, währenddem die FA/18-Bomber der Eidgenössischen Milizarmee mit Getöse auf dem Rollfeld nebenan aufsetzen. Bevor er ihn untergehen läßt, gibt einer dem nüchternen Verkünder der Apokalypse, Jakob, noch zu bedenken: "Gedeiht die menschliche Gemeinschaft nicht am besten, wenn der Einzelne den größtmöglichen Ertrag seiner Bemühungen auch einheimsen kann?"
Aus den Profilstangen, aus den Stecken, aus den Skizzen vom Kanton Luzern ist ein Filmbau geworden. Schweiz im Januar 1996. Geschichte wird Film.
(Wilhelm Gottlieb, in: Filmkritik, 7. November 1996)
Rudolf Barmettler wurde 1956 geboren und wuchs in der Schweiz auf. 1978 schloß er die Schule für Gestaltung in Luzern als Graphiker ab. Von 1985 bis 1993 studierte er an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Seither ist er als Autor und Kameramann (Dokumentarfilm) und im Bereich der angewandten Typographie tätig.
1978 Augenblicke (16mm, 17 Min.). 1984: Les peintres négligés (S-8, 35 Min.). 1985: Nicht die Signalzeichen (16mm, 15 Min.). 1986: Odenwaldstetten II (zus. mit A. Gugolz, A. Kebinger, M. Fluck, P. Nestler, 16mm, 50 Min.). 1989: Gegen die Arglist der Zeit (16mm, 45 Min.). 1991: Probenarbeiten zu ,Antigone des Sophokles' von J.-M. Straub und Daničle Huillet (Video-8, Dok., 8 Std. 25 Minuten).
© 1997 Internationales Forum des Jungen Films. Alle Rechte vorbehalten. |