(Der Sertão der Erinnerungen) Brasilien 1996 Regie: José Araújo |
96 min., 35mm, 1:1.85, s/w
Produktion: Araújo-Valladares Productions, Ganesh Produçäes. Buch: José Araújo. Kamera: Antonio Luiz Mendes Soares. Musik: Nana Vasconcelos. Ausstattung: Flor Punk. Ton: Anton Herbert, Marcio Camara. Schnitt: Ismael Saavedra. Ton-Design: José Araújo. Produktionsmanager: Fausto Wolffenbuttel, Marcio Camara. Regie-Assistenz: Bete Alencar, Walter Filho. Kamera-Assistenz: Joe Pimentel. Schnitt-Assistenz: Elizabeth Ross, Anita Ingle, Mauricio Saavedra, Aaron Levaco. Darsteller: Antero Marques Araújo, Maria Emilce Pinto, Eduardo Braga, Padre Juvemar Mator. Uraufführung: 6. September 1996, Toronto Film Festival. Weltvertrieb: Media Luna, Ida Martins, Friesenwall 83, D-50672 Köln. Tel.: (49-221) 139 22 22 / 137 787. Fax: (49-221) 139 22 24 / 135 474. |
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Fr 14.02. 14:00 Delphi Fr 14.02. 21:00 Kino 7 im Zoo Palast Mo 17.02. 19:00 Babylon |
O SERTÇO DAS MEMORIAS erzählt die Geschichte von zwei 'Sertanejos', Bewohnern des Sertão. Maria ist die weibliche Reinkarnation von Jesus und repräsentiert die Stärke der Frauen des Sertão. Sie lädt die 'Beatas', die heiligen Frauen, zu einer Gebetsmission ein, während der sie durch das Land ziehen und die sozialen Gegensätze und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung bezeugen. Maria und die 'Beatas' reisen durch eine moderne Stadt an der Küste zu den Slums und ländlichen Gebieten, die von der Dürre gezeichnet sind. Marias Gesicht drückt das kollektive Leiden der Sertanejos aus. Auf ihren Reisen hört sie Geschichten über den Drachen, den ausbeuterischen Feind der Armen.
Am Fuße des Lebensbaums trifft sie auf Antero. Er ist ein kräftiger Arbeiter und Held der Bauern. Seine schwieligen Hände spiegeln die jahrelange Landarbeit auf den dürren Feldern. Er betrachtet sich als direkten Nachfogler der Propheten aus dem Alten Testament. Anteros Geschichte vermischt sich mit der Marias. Die kollektiven Tragödien und Erinnerungen der Sertanejos kreieren seine eigene Geschichte. In seinen Träumen sieht er das Ende der Welt voraus. Er prophezeit Seuchen. Die Gestalten, die ihm in seinen Träumen begegnen, stammen aus der Bibel. Durch Anteros Deutung wird die Erfüllung biblischer Prophezeiung deutlich.
Wie Maria trifft auch Antero auf den Drachen, der viele Gesichter hat. Er erscheint ihm am Horizont als die vier Reiter der Apokalypse, ein Omen von Zerstörung. Nach dieser Vision leiden die Sertanejos noch mehr. Politiker aus den Städten kommen mit falschen Versprechungen im Austausch gegen Wählerstimmen. Die Leute hören still zu. Tägliche Arbeit gehört zu ihrem Kampf, sie kennen diese Versprechungen schon. In ihren Dörfern gab es seit jeher soziale Konflikte, Dürre und Hungersnöte. Das Fernsehen kommt und löst noch mehr Befremden unter den Menschen aus. Mystiker tauchen in den Dörfern auf, machen die Politiker schlecht und rufen das Volk zur Revolte auf. Politische Agitation vermischt sich mit religiöser Inbrunst. Antero und Maria sind Teil eines revolutionären Prozesses, in dem der Drachen in all seinen Formen bekämpft wird.
Aber sie erleiden eine Niederlage; ihre Hoffnungen sind
zerstört, ihre Ausbeutung geht weiter. Aber auch dies wurde
prophezeit. Anteros und Marias Elend macht sie innerlich stark.
Das Leben im Unglück ist für sie etwas Essentielles,
etwas, das sie mit der Gemeinschaft teilen. Sie halten weiter an
ihrem Glauben an eine von den Heiligen und Märtyrern
geführte Freiheit fest. Dieser Glaube begleitet ihre Arbeit,
ihren Schmerz und die Liebe zu ihrem Land. Antero und Maria sind
typische Charaktere des alten und modernen Sertão. Die
Erzählung ihrer Geschichte führt sie zurück zu dem
Haus mit den Photographien vom Anfang des Films. Ihre Geschichte
ist eine Hommage an die Sertanejos, die unerkannt wie unbesungene
Helden kämpfen.
(Ramiro Puerta, in: Katalog des Toronto Filmfestivals, 1996)
Ich stamme aus Miraima, dem Dorf, wo die Dreharbeiten für O SERTÃO DAS MEMORIAS stattfanden. Miraima liegt in Ceara, einem Gebiet im Nordosten von Brasilien, auch bekannt als Sertão. Meine Eltern sind Bauern, deren einzige Einkommensquelle das Land ist, das sie bestellen. Mein ganzes Leben lang war ich Zeuge der Stärke dieser Menschen, einer Stärke, die es ihnen ermöglicht, mit den harten Lebensbedingungen, der Dürre, dem Hunger und der Armut zurechtzukommen. Ich verstehe außerdem die Art und Weise, wie wir mit Widrigkeiten fertigwerden, die unsere Mythen und unsere Geschichte kreiert haben. Diese wiederum werden überliefert durch das Erzählen von Geschichten, durch Lieder, Kunst, Theater, Religion und den politischen Kampf. O SERTÃO DAS MEMORIAS ist Teil dieser Tradition.
Der Film handelt von einer Region Brasiliens, dem Sertão, dem ärmsten Gebiet des Landes. Die Menschen dem Sertão werden deshalb verunglimpft, abgestempelt und verspottet. In jeder großen Stadt Brasiliens sind es die Menschen aus Sertão, die sich als Schwerarbeiter, Putzleute, Straßenkehrer und Prostituierte verdingen und in den Favelas wohnen. Sertão ist mittlerweile ein Synonym für die Armut in einem reichen Land geworden. Mit diesem Film wollte ich zeigen, daß diese Region geistig und kulturell gesehen äußerst vielschichtig ist. Trotz der materiellen Armut haben die Menschen eine einmalige Mythologie und eine reiche Geschichte entwickelt. Hier liegt das Herz der brasilianischen Kultur - des Kunstgewerbes, der Musik, der Kunst und der Literatur. Aufgrund dieser Umstände, die die Menschen des Sertão beeinflussen und sie formen, ist ihre Geschichte es wert, erzählt zu werden.
Das war der Ausgangspunkt für meinen Film O SERTÃO DAS MEMORIAS. Als jemand, der in dieser Region aufgewachsen ist und der versteht, was es heißt, als arm abgestempelt zu werden, wollte ich einen Film machen, der die Würde dieser Menschen in ihrer Armut einfängt.
José Araújo wurde am 19. Januar 1952 geboren. In seiner Jugend studierte er an einem katholischen Seminar, wo er begann, Kurzgeschichten, Gedichte und Theaterstücke zu schreiben. Daneben arbeitete er als Filmvorführer. Beeinflußt vom brasilianischen 'Cinema Novo' und von der Möglichkeit, daß man den Film als Werkzeug für politische Veränderungen benutzen könnte, verließ er das Seminar und studierte Literatur und Romanische Sprachen an der Staatlichen Universität in Ceará. 1973, während der Militärdiktatur, verließ er Brasilien und begann in San Francisco ein Filmstudium. 1981 kehrte er nach Brasilien zurück, um dort seine eigenen Filme zu machen und als Toningenieur für brasiliansiche und deutsche Filmproduktionen in ganz Südamerika zu arbeiten. Unter anderem war er für die Tonmischung in Filmen von Percy Adlon, Francis Ford Coppola und Gregory Nava verantwortlich. O SERTÃO DAS MEMORIAS ist sein erster Spielfilm.
1978: Miserere nobis. 1980: Una familia mexicana 14 a¤os después. 1987: Salve a Umbanda. 1996: O SERTÃO DAS MEMORIAS.
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