(Ein gewöhnlicher Präsident) Weißrußland 1996 Regie: Jurij Chaschtschewatski |
54 min., 35mm, Farbe
Produktion: Pjotr Marzew. Buch: Leonid Mindlin, Pjotr Marzew, Juri Chaschtschewatski. Kamera: Wladimir Andronow, Sergej Wajtriwer, Goran Ruljow. Schnitt: Alexej Struljow. Musik: Bizet, Prokofjeff, Swiridow, Sidelnikow. Ton: Wassili Schitikow. Ausführender Produzent: Olga Nikolajtschik. Produzent: Pjotr Marzew. Uraufführung: Jan. 1997, Städtischer TV-Sender von Korelitschi. Weltvertrieb: Interfilm GmbH, Wingertstr. 2, D-65203 Wiesbaden, Tel.: (49-611) 66088, Fax: (49-611) 694484. Tristar Film- u. TV GmbH, Rothenbaumchaussee 26, D-20148 Hamburg. Tel.: (49-40) 450 1140. Fax: (49-40) 450 11426. |
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Fr 21.02. 16:00 Arsenal Sa 22.02. 11:00 Delphi Sa 22.02. 16:00 Kino 7 im Zoo Palast Mo 24.02. 13:00 Akademie der Künste Mo 24.02. 19:00 Babylon |
Bei dem Film handelt es sich um eine Dokumentation über das politische Leben der Republik Weißrußland (Belarus) von 1994 bis heute.
Zentrales Thema ist die Frage, wie der Präsident Alexander Lukaschenko an die Macht gekommen ist und seine Position bis hin zu den Ansätzen einer Diktatur festigen konnte. Der Film ist ein politisches Pamphlet. Er besteht aus vier Teilen, die etappenweise die Entstehung der Macht einer einzelnen Person reflektieren und die Dynamik der Persönlichkeitsveränderung bei Lukaschenko aufzeigen.
Im Film wurde Archivmaterial verwendet, u.a. Äußerungen von Lukaschenko selbst. Ferner zeigt der Film Interviews mit nahen Freunden und politischen 'Kampfgenossen' Lukaschenkos, die inzwischen ins gegnerische Lager gewechselt sind. Zu ihnen gehören: Alexander Feduta, Leiter der Verwaltung der öffentlich-politischen Information des Verwaltungsapparates des Präsidenten der Republik Belarus von Juli 1994 bis Januar 1995; Juri Sacharenko, Innenminister der Republik Belarus von August 1994 bis November 1995; Oleg Ignatenko, Leiter der Hauptverwaltung des šberwachungsdienstes des Präsidenten der Republik Belarus von Juli 1994 bis April 1996.
In weiteren Interviews sieht man Stanislaw Schischkewitsch, den Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Republik Belarus von August 1991 bis Januar 1994, und Semjon Scharezki, den Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Republik Belarus der letzten Amtsperiode.
Mit der Produktion des Films wurde 1995 begonnen, die Finanzierung hatte der Produzent Pjotr Marzew übernommen.
Die Motivation für die Entstehung dieses Films lag in der Beschneidung der grundlegenden Bürgerrechte im Lande durch den Präsidenten Alexander Lukaschenko, die unter anderem auch die Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeutete.
Praktisch seit Beginn der Arbeiten an dem Film hatte das Filmteam keinen Zugang zu den Archiven des weißrussischen Fernsehens mehr. Es wurden auch Versuche unternommen, uns den Zugang zum Videomaterial anderer Fernsehgesellschaften der GUS zu erschweren. Davon abgesehen schien es unmöglich, ein Interview mit der Hauptfigur des Films, dem Präsidenten Lukaschenko, zu bekommen. Das Team sah sich gezwungen, russische Kollegen um Hilfe zu bitten. Als diese dann das Interview machen durften, flochten sie auch Fragen ein, die im Vorfeld mit dem Team des Films EIN GEWÖHNLICHER PRÄSIDENT abgesprochen waren.
Während der Dreharbeiten wurden immer wieder Versuche unternommen, das Filmteam zu kontrollieren und herauszufinden, wo das abgedrehte Material aufbewahrt wurde, um es zu konfiszieren. So waren wir gezwungen, die Fertigstellung des Films in Moskau in den Räumen privater Produzenten durchzuführen.
In der politischen Sendung 'Eine Zeit mit Sergej Dorenko' des russischen Senders ORT wurde ein Ausschnitt aus EIN GEWÖHNLICHER PRÄSIDENT gezeigt, in dem Alexander Lukaschenko sich positiv über die Rolle Hitlers in der Geschichte Deutschlands äußert. Daraufhin bezichtigte der Verwaltungsapparat des Präsidenten das Filmteam, die Stimme des Präsidenten gefälscht zu haben.
Die Chancen, daß der Film im weißrussischen Fernsehen ausgestrahlt wird, sind gleich Null. Stattdessen existiert die konkrete Gefahr einer 'außergerichtlichen' Verfolgung der an der Produktion Beteiligten.
Die politischen Entwicklungen im Lande während des Referendums und danach bestätigen die Beurteilung der Lage durch die Filmemacher und die im Film auftretenden Personen.
Die kleine Kreisstadt Korelitschi (Kreis Grodnensk) machte vor kurzem Furore durch eine originelle Art des Volksbegehrens gegen den 'vom Volk Erwählten'. In dieser Stadt fand die unsanktionierte Premiere des Dokumentarfilms EIN GEWÖHNLICHER PRÄSIDENT von Juri Chaschtschewatski statt.
Laut einer Meldung der Lokalzeitung 'Swoboda' (Freiheit) wurde der Film über das städtische Kabelfernsehen ausgestrahlt, zu seinen potentiellen Zuschauern gehörten viertausend Menschen. Der lokalen Miliz des Präsidenten und den Mitarbeitern des KGB war es nicht gelungen, rechtzeitig einzugreifen und die Ausstrahlung des Films zu verhindern: als sie in das Studio eindrangen, war die Kassette bereits abgespielt. Zugetragen hatte sich das ganze folgendermaßen: ein Techniker des Studios, der neunzehnjährige Maxim Swirid, lieh sich bei einem Freund eine Kassette aus, in der Annahme, daß es sich um den Actionfilm Rambo handelte. Er legte die Kassette in den Rekorder und verließ das Studio, um etwas zu erledigen. Es stellte sich jedoch heraus, daß auf ihr außer Rambo auch der 'weißrussische Terminator' aufgezeichnet war.
Der Film des weißrussischen Regisseurs ist in Minsk noch nicht gezeigt worden, aber die Menschen haben schon viel davon gehört. Nur einmal wurden Ausschnitte aus dem Film EIN GEWÖHNLICHER PRÄSIDENT in Sergej Dorenkos Fernseh-Magazin gezeigt. Ich erinnere daran, daß die Initiative des russischen Fernsehjournalisten mit einer Protestnote des weißrussischen Außenministeriums 'honoriert' wurde.
(Juri Leschkewitsch, in: Moskowski Komsommolez, 29. Januar 1997)
Juri Chaschtschewatski wurde 1947 in Odessa geboren. 1971 absolvierte er das Technologische Institut Odessa, 1981 das Institut für Theater, Musik und Kinematographie in St. Petersburg. Seit seinem Studienabschluß sind mittlerweile über zwanzig Spiel- und Dokumentarfilme entstanden.
1984: Eta tichaja shisn w glubokom (Dieses stille Leben in der Tiefe). 1986: Sdjes byl Krylow (Hier war Krylow). 1988/89: Wstretschny isk (Gegenklage). 1992: Russkoje stschastje (Russisches Glück; Forum 1994). 1993: Wsjo choroscho (Alles ist gut; Forum 1993). 1996: Obyknowennyj President (Ein gewöhnlicher Präsident).
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