Kanada / Deutschland 1996 Regie: Larry Weinstein , Thomas Wallner |
84 min., Video and 35mm, 1:1.66, Farbe, WP
Produktion: Rhombus Media Inc., Arte/ZDF. Buch: Larry Weinstein, Thomas Wallner, nach Briefen, Schriften und Interviews von Hanns Eisler. Kamera: Horst Zeidler. Ausstattung: Christian Krüger. Ton: Eckardt Hellmich. Schnitt: David New. Kostüme: Inez Raatzke. Maske: Angelika Baumeister. Regie-Assistenz: Barbara Bauer. Produktionsleitung: Rolf Hermann. Aufnahmeleitung: Jochen Uhlig. Produzenten: Gabriele Faust, Niv Fichman. Stimme von H.E.: Benjamin Wilchfort. Mitwirkende: Gisela May, HK Gruber, Robyn Archer, Richard Stoltzman, Stefanie Wüst, Christoph Keller, Carmen Maja Antoni, Andreas Scheibner, Deutsche Kammerphilharmonie, Berliner Rundfunkorchester und Chor. Uraufführung: 27. August 1996, Bravo! The New Style Arts Channel, Kanada Weltvertrieb: Sheena Macdonald-Rhombus International Inc. 489 King St. W., Suite 102, Toronto, ON M5V 1L3, Kanada. Tel.: (1-416) 971 7856, Fax: (1-416) 971 9647 |
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Sa 15.02. 17:45 Arsenal |
Zuerst scheint es ein völlig verrücktes Projekt zu sein. Rhombus Media, Toronto, berühmt für einfühlsame Filme über künstlerische Themen, hat Zeit, Kraft und Geld in einen Dokumentarfilm über einen modernen Komponisten investiert, von dem kaum jemand je gehört hat. Das ausufernde Vierundachtzig-Minuten-Porträt hebt lobend seine leidenschaftliche Liebe zum Kommunismus hervor, während gleichzeitig Musik eingespielt wird, die das Leben unter Hammer und Sichel glorifiziert.
Tatsächlich behandelt SOLIDARITY SONG: THE HANNS EISLER STORY den deutschen Komponisten nicht als Vorbild, auch wenn er seine beachtlichen Leistungen anerkennt. Vielmehr benutzt der Film sein Leben als Sprungbrett für einen klugen, ironischen und letztlich tragischen Kommentar über die Unvereinbarkeit von Kunst und Politik.
Es geht dabei um keinen Routine-Konflikt, sondern um einen, der grausige Konsequenzen nach sich zog. Trotz Eislers unerschütterlichem Glauben an den Kommunismus wurde seine Arbeit in den fünfziger Jahren von den sowjetischen Autoritäten scharf dafür kritisiert, daß sie den strengen staatlichen Anforderungen nicht entsprach.
Kein Wunder, daß Eisler kurz vor seinem Tod 1962 in tiefe Verzweiflung über die immense Kluft zwischen den sozialistischen Idealen und der harten Realität des Lebens unter der sowjetischen Herrschaft geriet.
Wie diese kanadisch-deutsche Co-Produktion zeigt, hat Eisler seine relative Nichtbeachtung nicht verdient. In den zwanziger Jahren studierte er bei Arnold Schönberg, in den dreißiger Jahren arbeitete er intensiv mit Bertolt Brecht zusammen und schrieb zu Herzen gehende Kampflieder für die Arbeiterklasse, die auf der ganzen Welt gesungen wurden.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh er aus Deutschland in die USA, wo er sich merkwürdigerweise in Malibu niederließ. Dort komponierte er in den vierziger Jahren die Musik zu zahlreichen Filmen und pflegte derweil Kontakt zu Leuten wie Charlie Chaplin und Ava Gardner.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Eisler wegen seiner Sympathien für den Kommunismus eine Zielscheibe der antikommunistischen Hetze, die in den USA aufgekommen war. Also kehrte er in den kommunistischen Sektor des in Trümmern liegenden Berlin zurück und komponierte die Nationalhymne der DDR. (...)
Um dem Material Unmittelbarkeit und Allgemeingültigkeit zu geben wurden besonders die Aspekte seiner Werke in den Vordergrund gerückt, die für Gleichheit und Gerechtigkeit einstehen. Ein Paradebeispiel des Anti-Rassismus ist die ,Ballade vom Nigger Jim', in der ein Sänger und eine kleine Band mit schwarzen Gesichtern ein bitterböses Lied über einen Schwarzen vortragen, der aus einem nur mit Weißen besetzten Zugabteil ausgesperrt bleibt.
Auch Satire wird gegen die Faschisten eingesetzt, aber Weinstein erweitet das Blickfeld, um Eislers dunkle Seiten zu erfassen. Unter anderem zeigt der Film das bewegende Klagelied einer deutschen Mutter, die fürchtet, daß das braune Hemd ihres Sohnes sein Totenhemd werden könnte. (...)
In seltsamen Momenten erwacht sogar eine Fabrik zum Leben, und wir erhaschen einen Blick auf helle, orange-gelbe Explosionen von geschmolzenem Stahl in einem Schmelzofen. All diese Aufnahmen finden ihre Entsprechungen in musikalischen Cres-cendos und vermitteln so die überwältigende Wirkung, die Eislers Songs in den Jahren der Depression auf die Massen hatten. (...)
Und selbst wenn wir über die fehlgeleiteten Hoffnungen des Komponisten auf ein kommunistisches Paradies seufzen, läßt uns SOLIDARITY SONG doch ergriffen sein vom Gedanken an eine mächtige Regierung und nonkonformistische Kunst auf einem Kollisionskurs von desaströsem Ausmaß. Henry Mietkiewicz, in: The Toronto Star, 27. August 1996
Larry Weinstein hat sich in den letzten Jahren zu Kanadas wichtigstem Regisseur für Filme über musikalische Themen entwickelt. Seine Filme über das Leben von Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts wie Ravel, Manuel de Falla, Arnold Schönberg und Joaqúin Rodrigo wurden auf Festivals in aller Welt gezeigt.
Zur Zeit dreht Weinstein einen Dokumentarfilm mit dem Maestro Valery Gergiev über den russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch.
1984: Making Ouvertures - The Story of a Community Orchestra. 1985: All that Bach. 1987: A Moving Picture (Co-Produzent); Eternal Earth. 1988: Ravel. 1989: The Radical Romantic; For the Whales. 1991: Master Peter's Puppet Show / Nights in the Gardens of Spain; When the Fire Burns: The Life and Music of Manuel de Falla. 1992: My War Years: Arnold Schoenberg. 1993: Concerto!; Shadows and Light: Joaquin Rodrigo at 90 / Concierto de Aranjuez. 1994: September Songs: The Music of Kurt Weill. 1996: SOLIDARITY SONG: THE HANNS EISLER STORY.
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