GB 1996 Regie: Joram Ten Brink |
52 min., 16mm, 1:1.66, Farbe, WP
Produktion: J. Productions, London. Musik und Tondesign: ,Barbed' - Alex Burrow und Alex McKechnie. Zusätzliche Kamera: Uri ten Brink. Optischer Printer: Ross Lipman, Charlotte Pryce, Carol Doing. Uraufführung: 3.2.1997, Rotterdam Film Festival. Weltvertrieb: Joram ten Brink, 26 A Aylestone Ave., London NWG 7AA. Tel.: (44-181) 459 3065. Fax: (44-171) 911 59 43. |
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Sa 15.02. 14:00 Delphi Sa 15.02. 21:00 Kino 7 im Zoo Palast So 16.02. 20:00 Arsenal Mo 17.02. 12:00 Akademie der Künste |
(Roy Armes, Januar 1997)
,THE MAN WHO COULDN'T FEEL' AND OTHER TALES ist eine Reise durch die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts und basiert auf meinen persönlichen Filmtagebüchern; der Film wurde auf Super-8 gedreht und mit Hilfe eines optischen Printers auf 16mm-Format gebracht, wobei eine besondere Schnittechnik angewendet sowie ein hochwertiger Originalsound und elektronische Musik hinzugefügt wurden.
Der Film, dessen Herstellung sich über die letzten vier Jahre erstreckte, ist aus einem frühen Interesse an anthropologischen Filmen, an der konventionellen Dokumentarfilm-Tradition und am Schreiben fiktionaler Texte entstanden.
Ein anderer Film von mir, Jacoba (Holland 1988, Forum 1989), versuchte, die Mitte zwischen dem fiktionalen und dem Dokumentarfilm zu definieren.
Die dokumentarischen Bilder, die in ,THE MAN WHO COULDN'T FEEL'... verwendet werden und die ich seit den achtziger Jahren auf der ganzen Welt gesammelt habe, sollen nicht Realität oder ein dokumentarisch aufbereitetes Ereignis vermitteln; sie sind vielmehr wie ein Essay aufgebaut. Die Bilder wurden auf einer Ebene als Autobiographie zusammengesetzt - aber der Film hat kein anderes Thema als das Bewußtsein der Person, die ihn gedreht hat. Trotzdem ist das Ergebnis weit von etwas bloß Privatem entfernt und von eher breitgefächertem Wesen. Der Film eröffnet dem Zuschauer die Möglichkeit, sich sein eigenes ,Thema' zu schaffen.
Ich hatte etwa dreihundertfünfzig Minuten Filmmaterial über China, Bombay, San Francisco, die Antarktis, Italien, Holland und Frankreich. Dazu kombinierte ich Archivmaterial über China, Portugal und Japan, das ich über die Jahre gesammelt hatte, Musikaufnahmen, die ich in der Vergangenheit als Musikwissenschaftler angefertigt hatte, und Texte aus verschiedenen Quellen.
Konventionelle Arbeitsmethoden kamen nicht in Frage. Der Arbeitsprozeß begann vor allem als ein Prozeß der Negation: mit der Verwerfung von Strukturen und Formen schon im Vorfeld, wodurch ich mich gezwungen sah, nach Alternativen zu suchen. Ich begann zu arbeiten, nicht von einem theoretischen Standpunkt aus, sondern indem ich mich vom Material selbst inspirieren ließ. Die Struktur und ,Theorie' sollte, wenn überhaupt, später kommen. Ich sammelte die ersten Kopien willkürlich auf großen Spulen, ließ das Material während des Schneidens ungeordnet und widerstand der Versuchung, es in irgendeine Form oder Ordnung zu bringen. Ausgehend von dem ersten Bild des Films komme ich allmählich zu immer längeren Sequenzen. Nachdem ich eine größere Anzahl von Bild- und Tonkombinationen entworfen hatte, tat ich mich im weiteren mit der Band ,Barbed' zusammen - zwei in London lebenden Musikern, die hauptsächlich mit Samplern, Montage und elektronischem Ton arbeiten -, um die endgültige Form des Films zu entwickeln. Der Schnitt dauerte vier Jahre.
(Joram ten Brink)
Der Film kommt nahe an Nicht-Linearität - an das Nichterzählerische - heran, aber er ist von einem Filmemacher, der Geschichten und die Dramatik des Kinos liebt. Wenn es sich bei diesem Film also nicht um eine Geschichte handelt, so doch um ein Drama - ein Drama, das sich hinauf und hinunter durch die Fragmente der Erinnerung windet, das sich an zufälligen, anekdotischen Verbindungen entlanghangelt. Meine kritische Spiralen-Metapher für die Struktur des Films ist subjektiv. Die Spirale nach unten ist wie Weidensaat, die mit leisem Widerstand gegen die Schwerkraft zu Boden fällt, und uns so die Auseinandersetzung mit Fragmenten und Themen aus neuen Blickwinkeln ermöglicht. Und während wir fallen, haben wir gleichzeitig das Gefühl, uns in einer Spirale nach oben zu bewegen - wie ein Seevogel, der durch die Lüfte aufsteigt; dieses Gefühl resultiert aus der Leichtigkeit dieser Art von Kino und dem Eindruck von etwas Unabgeschlossenem und Beflügelndem.
Die Themen sind autobiographisch, haben aber nichts mit dem Filmemacher zu tun. Dadurch, daß sie zu Metaphern werden, gewinnen sie Allgemeingültigkeit. Sie sind Metaphern, die aus den Fragmenten von Lebenserfahrung auftauchen, so wie sie andeutungsweise im Bild festgehalten werden. Die Bilder lösen die Assoziation von ,home-movie' und Super-8 aus, aber hier bedeutet Super-8 das Gegenteil von rückhaltloser Einmischung ins Geschehen. In der Ästhetik des Films manifestiert sich eine ethische Beziehung - nämlich zwischen den Menschen vor der Kamera, dem Autor hinter der Kamera und den Zuschauern des Films, die beides anhand des Bildes auf der Leinwand interpretrieren.
Wir schaffen uns unseren eigenen Film anhand der Zusammenhänge, die wir herzustellen aufgefordert sind. Dieser unser eigene Film bleibt uns in Erinnerung, nachdem der Film als Film uns eine Form vorgegeben hat, in der Erinnerung nicht auf die Vergangenheit fixiert bleibt, sondern in der Imagination permanent revidiert und wiederholt wird. Dieser Film ist das Werk eines Filmpoeten, in der Tradition von Chris. Marker und Maya Deren. Die Bilder sind berückend schön, der Schnitt gelungen, aber das Tondesign ist absolut meisterhaft- und kann jeden anderen Filmemacher nur neidisch machen. Malcolm Le Grice
Joram ten Brink wurde 1952 in Israel geboren. Er studierte Musik und Film in Holland und in England und lebt heute in London.
1980: Stop Camera. 1981: Future Tense. 1982: Life and Death Video Show; First Let Us Kill. 1983: Andrew. 1985: Three Casio Postcards. 1986: Common Ground; A Door in the Wall. 1988: Jacoba (Forum 1989); C. Lanzmann In The Phonix. 1993: Going Home (script). 1995: Winter Hunt (script).
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