(Die Rückkehr des Panzerkreuzers) Rußland 1996 Regie: Gennady Poloka |
150 min., 35mm, 1:1.66, Farbe
Produktion: RITM Studio, Gorki-Studios, Moskau. Buch: Gennady Poloka, Wladimir Bragin, nach der Novelle ,Wiederkehr des Panzerkreuzers' von A. Kapler. Kamera: Jewgeni Dawidow. Schnitt: S. Guralskaya, T. Moliavina. Austattung: Michail Stscheglow. Ton: G. Kravetsky, A. Koniajev. Musik: Veniamin Basner. Produzenten: Igor Kowalenksy, Juri Kuschnerjow, Gennady Poloka, Michail Susmanowitsch. Darsteller: Michail Urshumzew, Jelena Majorowa, Ludmila Potapowa, Tatjana Wassiljewa, Armen Dshigarchanjan, Boris Nowikow, Igor Kwasha, Iwan Bortnik, Boris Brunow, Igor Dmitrijew, Alexej Bouldakow, das Moissejew-Ensemble, das Zigeunerduett ,Romen', Artisten des russischen Staatszirkus und andere Stars der russischen Unterhaltungskunst. Uraufführung: 7. Mai 1996, St. Petersburg. Weltvertrieb: Centre Skip Film, Moskau. Tel.: (7-095) 45 24 59. |
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Mi 19.02. 13:30 Kino 7 im Zoo Palast Mi 19.02. 18:45 Delphi Do 20.02. 10:00 Arsenal Fr 21.02. 16:30 Akademie der Künste |
Dieser Film ist den Großen und den Erfolglosen der Filmkunst anläßlich des hundertjährigen Jubiläums der Kinematographie gewidmet.
Gennady Poloka (geboren 1930) ist ein wahres ,enfant terrible' des sowjetischen Kinos. Obwohl sein erster abendfüllender Spielfilm Die SHKID Republik ein großer Erfolg war, wurden seine Filme nie in die offizielle Filmgeschichtsschreibung aufgenommen; entweder wurden sie von vornherein verboten oder nur mit sehr wenigen Kopien in die Kinos gebracht. Polokas irrealen, absurden und grotesken Filmen wurde der Verstoß gegen die Konventionen des sozialistischen Realismus angelastet. Tatsächlich ist Poloka ein eindeutiger und inspirierter Anhänger der russischen Avantgarde der zwanziger Jahre (nicht umsonst war der große Kuleschow, Erfinder der ,russischen Montagetechnik', sein Lehrer an der Moskauer Filmschule).
Poloka ist nicht der damals verbreiteten Revolutionsästhetik verpflichtet, sondern den Ursprüngen des Avantgardefilms: den chaotischen, beinahe karnevalesken Zuständen auf den Straßen in den ersten Jahren der Revolution, dem Theater Meyerholds, Eisenstein und später den ersten filmischen Experimenten - kurzen Clownerien - der Avantgarde-Künstler. Diese exzentrische Tradition des sowjetischen Kinos, die später von offizieller Seite rigoros abgelehnt wurde, bildete die Grundlage für die kurze Zeit später entstandenen und mittlerweile zu Klassikern gewordenen Meisterwerke der Montage. Das ist der Grund dafür, daß die meisten Filme von Poloka in den stürmischen zwanziger Jahren spielen, wie z.B. Die SHKID Republik, Intervention, Unsere Mission, Hat Karotin existiert? und DIE RÜCKKEHR DES PANZERKREUZERS. Schauplatz der Handlung dieser Filme ist die Straße, die Helden sind Menschen von der Straße. Die jugendlichen Diebe aus SHKID Republik erinnern den Zuschauer an den wunderbaren Film des Meyerhold-Studenten Nikolai Ekk, Der Weg ins Leben. Oder die faszinierenden Räuber aus Odessa aus dem Film Intervention, der eindeutig an eine Theatergroteske aus den zwanziger Jahren erinnert (was Grigorij Kosinzew besonders an dem Film rühmte).
Die Wirklichkeit, die Poloka in seinen Filmen mit nie versiegender Inspiration, mit Freude und Phantasie konstruiert, ist nicht dokumentarischer Natur, sondern die auf die Leinwand gebrachte Realität einer Epoche, die im sowjetischen Film ihren Ausdruck gefunden hat. Einer von Uns (1970) ist eine exzellente Nachempfindung des sowjetischen Spionage-Films der späten dreißiger Jahre, der Held des Films ist der typische Mann von nebenan, wie man ihn damals in vielen Filmen sehen konnte. Auch eine andere Figur aus Polokas Filmen, den alternden Dorf-Don Juan aus One by One (1973), erkennt der sowjetische Zuschauer sofort als eine populäre Leinwandfigur, aufgrund des Akkordeons, das in russischen Filmen der ständige Begleiter des Typus ,Dorf-Schürzenjäger' ist.
Man könnte Polokas Filme als postmodern bezeichnen, auch wenn es diesen Begriff zu ihrer Entstehungszeit noch nicht gab. Die Welt in diesen Filmen ist so verrückt wie der Held, der sich ihr widersetzt, aber die Ausdrucksformen ihres jeweiligen Wahnsinns unterscheiden sich grundlegend. Der Held gleicht dem idealistischen Don Quijote, der sich nicht mit der gewöhnlichen Logik der Dinge abfinden will. Die Welt leidet unter dem Wahnsinn der Gegenwart. Die Realität in Polokas Filmen ist eine Leinwandrealität, in der der Held und die Welt sich endlich miteinander versöhnen.
Aus diesem Grund ist WOSWRASCHTSCHENIJE BRONENOSZA/DIE RÜCKKEHR DES PANZERKREUZERS der letzte und abschließende Teil von Polokas Oeuvre. Der Film ist eine subtile Liebeserklärung an das Sowjetische Kino, ein Liebesgedicht in der Art einer klassischen Eisenstein-Hymne an den Klassenkampf. Menschen von der Straße erkennen sich mit Erstaunen und Freude auf der Leinwand wieder als Figuren der ewigen Tragödie der Leidenschaften - das Geheimnis des sowjetischen Films besteht in der Lebendigkeit seiner Seele. (Jewgeny Margolit)
Gennady Poloka wurde 1930 in Kuibyshew, Sibirien geboren. Er war nicht nur ein musikalisches Wunderkind, sondern auch von klein auf ein begeisterter Maler. 1941 überfiel Deutschland Rußland. Im ersten Kriegswinter arbeitete Poloka als Holzfäller und versorgte die Soldaten an der Front mit Nahrungsmitteln. Mit fünfzehn Jahren erhielt er eine militärische Auszeichnung. Unter anderem besuchte er die Schauspielschule (Meisterklasse Lew Kuleschow und A. Chochlowa), spielte in dreizehn Filmen und in verschiedenen Theaterstücken mit, studierte an der Militärakademie, war eine Zeitlang Athlet, dann Journalist und schließlich Fernsehkommentator. 1957 schloß er sein Filmstudium am WGIK in Moskau ab.
Alle Versuche, Poloka einzuschüchtern, waren vergeblich. Als er Drehverbot für alle sowjetischen Studios bekam, setzte er seine Arbeit unter einem Pseudonym fort. Ein Komplott gegen ihn in Verbindung mit einer Gerichtsverhandlung konnte nur dadurch abgewendet werden, daß alle führenden Regisseure sich an höchster Stelle für ihn einsetzten.
1957: Shisn (Das Leben / Life - Kurzspielfilm, Abschlußarbeit am WGIK / graduation film). 1958: Naschi gosti (Unsere Gäste / Our Guests, langer Dokumentarfilm / long documentary).1960: Tschaiki nad barchanami (Seagulls over the desert - wurde in Turkmenien verboten / forbidden in Turkmenia). 1962: Kapronowyje seti (Kapron net). 1966: Respublika Schkid (The SHKID Republic). 1968-88: Intervenzija (Intervention - verboten / Intervention - forbidden, Premiere 1988). 1970: Odin is nas (One of us). 1971: Odinashdy odin (One time One - nach diesem Film wurde ein Berufsverbot über Poloka verhängt / after this film Poloka was forbidden to work). 1981-86: Nasche priswanije ( TV-Serie); Ja, woshatyj forposta (vierter Teil der Serie / fourth episode). 1989: A byl li karotin? (Was it Karotin? / What is Carotin?) 1996: WOSWRASCHTSCHENIJE BRONENOSZA.
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