Schon zum zweiten Mal konnte das Arsenal – Institut für Film und Videokunst mit Mitteln des Auswärtigen Amtes ein Projekt zum Erhalt eines Filmbestands realisieren: Der filmische Nachlass des sudanesischen Filmemachers Gadalla Gubara (1921–2008). Gadalla Gubara war über 50 Jahre als Regisseur von Spielfilmen und als Dokumentarist tätig. Bis zu seinem Tod betrieb er das erste private Filmstudio in Khartum: das Studio Gad. Vor dem Hintergrund fehlender technischer und finanzieller Mittel, sowie prekärer Lagerbedingungen drohte dieses Filmerbe durch den fortschreitenden Materialzerfall verloren zu gehen. Mit der Förderung durch das Auswärtige Amt im Kulturerhalt-Programm wurde die Digitalisierung der Filme im Herbst 2013 in Berlin ermöglicht. Bereits im Jahr 2012 konnte im Rahmen des Projekts "Animated Archive" der Archivbestand des nationalen Filminstituts in Guinea-Bissau (INCA – Instituto Nacional de Cinema e Audiovisual) digitalisiert werden.
Gadalla Gubara ist einer der weniger bekannten Pioniere des afrikanischen Kinos. Er betrieb das erste Filmstudio im Sudan und war Mitbegründer der Panafrikanischen Föderation von Filmemachern, FEPACI, sowie dem FESPACO Festival (Ouagadougou, Burkina Faso). Sein Werk umfasst Spielfilme, Reportagen, dokumentarische Lehrfilme, Werbefilme und Home Movies. Er dokumentierte über fünfzig Jahre die politische und gesellschaftliche Entwicklung des Sudans: von der Unabhängigkeit im Jahr 1956 über die Phase der sozialistischen Regierung und ihrer Modernisierungspolitik bis zur Ausrufung der islamischen Republik 1983 – und parallel zu dieser Entwicklung, deutlich sichtbar, die zunehmend schlechteren Bedingungen für Filmproduktionen.
In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit gab es im Sudan zahlreiche Kinos, staatliche Filmförderung, Ausbildungsmöglichkeiten für Filmemacher und eine, wenn auch kleine, sudanesische Filmindustrie. Die folgende wirtschaftliche und politische Instabilität und eine zunehmend kulturfeindlichere Politik führten zu einem Verschwinden der Kinolandschaft und zu erheblichen Einschränkungen für Filmproduktionen. Seit den 1980er Jahren war Gubara daher komplett auf ausländische und private Förderung angewiesen und politischen Repressalien ausgesetzt.
Gadalla Gubara erhielt während des zweiten Weltkriegs eine Ausbildung zum Kameramann bei der British Colonial Film Unit, einer Institution, die es in fast allen britischen Kolonien gab. Er drehte Propagandafilme, Wochenschauen, sowie die damals in Afrika weit verbreiteten "Educational documentaries", die zur Modernisierung des Landes beitragen sollten.
Nach der Unabhängigkeit des Sudans im Jahr 1956 leitete er die Sudanese Film Unit, eine Art staatliche Filmbehörde, die den Aufbau eines nationalen Fernsehens und Kinos zur Aufgabe hatte. Gubara sah dies als wichtigen Teil für den Selbstfindungsprozess des Landes an und erkannte im Medium Film die Möglichkeit, die größtenteils analphabetische Bevölkerung zu erreichen.
Die folgenden Jahre waren geprägt von einer politischen und kulturellen Aufbruchsstimmung. Gubara dokumentierte in dieser Zeit alles mit seiner Kamera: Regierungstreffen mit General Gamel Abdel Nasser und Haile Selassi, das Nachtleben von Khartum, den Bau von Eisenbahnstrecken, Fabriken, Staudämmen. Sein großes Ziel war es jedoch, Spielfilme zu drehen. Ende der 1950er Jahre ging er mit Hilfe eines Stipendiums nach Kalifornien, um an der University of California in Los Angeles Regie zu studieren. Anschließend assistierte er im Filmstudio Masr in Kairo.
1969 gründete er zusammen mit Souleymane Cissé, Med Hondo und Ousmane Sembène das panafrikanische Filmfestival FESPACO (Festival panafricain du cinéma et de la télévision) in Ouagadougou. Ein Jahr später folgte die Gründung der Föderation Afrikanischer Filmemacher FEPACI (Fédération panafricaine de cinéastes). Als einziger sudanesischer Filmemacher innerhalb der Förderation blieb er ein Außenseiter, auch wegen seiner Kritik an der finanziellen Unterstützung der FEPACI durch Frankreich, die er als kolonialistisch empfand.
1974 gründete Gadalla Gubara mit dem Studio Gad das erste private Filmstudio im Sudan. Da ihm die sudanesische Regierung zu dieser Zeit keine finanzielle Unterstützung mehr gewährte, dauerte es weitere fünf Jahre, bis er mit ägyptischer Hilfe seinen ersten Spielfilm fertigstellen konnte: TAJOUJ (Sudan 1979), gedreht in einer der entlegensten Gegenden des Sudans, ist ein Liebesfilm, in dem es in erster Linie um das Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Moderne geht.
Es folgten zwei weitere Spielfilme, doch wurde das Kino von staatlicher Seite schon längst nicht mehr gestärkt. Mit der Machtübernahme von Präsident Bashir im Jahr 1989 begann die Verfolgung von Intellektuellen, die drastische Eingriffe in die künstlerische Freiheit bedeutete. Gubaras Filmstudio wurde von der Armee konfisziert und er selber für einen Monat inhaftiert. Während der Haft verlor Gubara wegen fehlender medizinischer Versorgung seiner Diabetes das Augenlicht. Nach einem fünfjährigen Rechtsstreit, geführt von seiner Tochter, wurde das Studio schließlich wieder an ihn übergegeben.
Gadalla Gubara arbeitete trotz seiner Erblindung weiter und drehte seinen letzten Film LES MISERABLES im Alter von 87 Jahren mithilfe seiner Tochter Sara. Sie hatte ihr Studium am Filminstitut der Academy of Arts in Kairo absolviert und drehte seit zehn Jahren eigene Filme. LES MISERABLES ist eine Adaption des gleichnamigen Romans von Victor Hugo. Gubara fand, die Situation der Menschen im Sudan sei vergleichbar mit der im Roman. Im Sommer 2008 starb Gadalla Gubara an den Folgen eines Herzinfarktes. Nach seinem Tod wurde das Studio Gad verkauft und abgerissen, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Die etwa zweihundert 16 mm und 35 mm Rollen seines Nachlasses bewahrt seither seine Tochter in ihrem Haus auf.
Vor dem Hintergrund fehlender technischer und finanzieller Mittel, sowie prekärer Lagerbedingungen drohte dieses Filmerbe durch den fortschreitenden Materialzerfall verloren zu gehen. Mit der Förderung durch das Auswärtige Amt konnte ein Großteil des Filmbestandes im Herbst 2013 für die Digitalisierung nach Berlin transportiert werden. Die Universität in Bergen, Norwegen stellte zu diesem Zweck einen Scanner zur Verfügung. Im ersten Schritt konnten die 16 mm und 35 mm Positiv- und Negativmaterialien erfasst und digitalisiert werden. Unter den Positiven finden sich Film- und Schnittkopien sowie ungeschnittenes Material. Synchronton liegt in den meisten Fällen nur bei den Filmkopien vor. Der Großteil des Filmbestands weist beträchtliche Materialschäden auf und ist teilweise sehr rotstichig. Einige Filme aus dem Archiv sind darüberhinaus mit dem Essig-Syndrom infiziert oder so spröde, dass sie nicht mehr digitalisiert werden können.
"Der filmische Nachlass von Gadalla Gubara" ist ein Projekt des Arsenal – Institut für Film und Videokunst, konzipiert und durchgeführt von Nadja Korinth und Katharina von Schroeder in Zusammenarbeit mit der Familie Gubara.
Projektbeteiligte: Mia Ender (Assistenz Filmvorbereitung), Anselm Heller (Filmvorbereitung, Arsenal), Doreen Ignaszweski (Scanner Operator), Pedro Maia (Scanner Operator), Reiner Meyer (technische Betreuung, Kornmanufaktur), Bodo Pagels (Filmvorbereitung, Arsenal), Susanne Pötzsch (Projektassistenz), Uschi Seifried (Filmvorbereitung, Arsenal), Marian Stefanowski (Filmvorbereitung, Arsenal), Terje Thue (technische Unterstützung, Universität Bergen).
Das Projekt wurde ermöglicht durch die Förderung im Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amtes und durch die Unterstützung der Deutschen Botschaft in Khartum.
Dank an: Dr. Dirk Stockhausen (Leiter des Wirtschaftsreferats der Deutschen Botschaft in Khartum), Lilli Kobler (Leiterin des Goethe-Instituts Khartum).
Sara Gadalla Gubara lebt und arbeitet in Khartum. Sie ist Regisseurin von Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilmen. Sie hält mehrere internationale Rekorde im Langstreckenschwimmen und arbeitet als Schwimmlehrerin und Rettungsschwimmerin. Zusätzlich berät sie NGOs in Geschlechter und Gleichstellungsfragen. Sara Gubara ist Absolventin der Academy of Arts in Kairo. Ihre Filme wurden auf Festivals in Südafrika, Zansibar und Uganda präsentiert.
Nadja Korinth war als Journalistin und Produzentin für die BBC News in London und Berlin tätig. Seit 2006 arbeitet sie als freie Autorin für Arte, Al Jazeera und BBC. Sie hat Reportagen und Dokumentationen zu kultur- und entwicklungspolitischen Themen u. a. in Afghanistan, Ruanda, im Sudan und dem Kaukasus produziert.
Katharina von Schroeder studierte Filmmontage an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam Babelsberg. Sie arbeitet als Cutterin für zahlreiche Fernsehsender, u.a. BBC, Al Jazeera, ARD, ZDF, 3Sat und Arte. Darüberhinaus realisiert sie eigene Dokumentarfilme. Für ihren Abschlussfilm MY GLOBE IS BROKEN IN RWANDA gewann sie 2010 den Max Ophüls Preis (Dokumentarfilm). 2014 realisierte sie als Regisseurin den abendfüllenden Dokumentarfilm WE WERE REBELS (92 min) im Südsudan.