Riki Kalbe war Filmemacherin und Fotografin: sie liebte konkrete Dinge und entdeckte in ihnen metaphorische Universen, sie erfand die feministische Hackerin und kam damit der Realität zuvor, sie erforschte Alltagsgeschichten und die Frage, was wie erinnert werden kann, und sie widmete sich der Erinnerung an das durch die Erinnerung verschwundene. Im Jahr 2002 ist sie gestorben; zwischen 1976 und 1998 hat sie 15 Filme gemacht, einige in Zusammenarbeit mit anderen, einige alleine. Zuletzt wurden ihre Filme 2006 im Kino Arsenal im Zusammenhang mit einer Ausstellung ihrer Fotografien gezeigt. Ihr gesamtes filmisches Werk, und einiges mehr, hat sie in die Hände des Arsenal gegeben. Riki Kalbe war nicht nur eine Geschichten- und Bildersammlerin, Fotografin und Filmemacherin, sie schuf auch noch andere Verknüpfungen: sie war mit vielen, die in Berlin (in Ost und West) und anderswo ebenfalls Filme oder Kunst machten und schrieben, freundschaftlich verwoben, unterstützte, teilte Projekte und Ideen, begleitete.
Das Projekt: die Digitalisierung ihrer Filme und deren Publikation zusammen mit einem kleinen Buch, mit einer detaillierten Filmografie und einem Text zu Feminismus, Weggenossenschaften, Genealogien und Generationen im Kontext deutscher (Zeit)Geschichte.
Die Filme: Im Prinzip haben wir nichts gegen Mädchen (BRD 1976, 16mm, 13min), Der letzte Kuss (BRD 1977, 16mm, 25min), Hexenschuss (BRD 1979, 16mm, 30min), Die optische Industriegesellschaft oder darf's ein Viertel Pfund mehr sein? (BRD 1983, 16mm, 47min), Bodenproben (BRD 1987, 16mm, 31min), Ohne Nachtigallen (zus. mit Bettina von Arnim, BRD 1987, 16mm, 28min), Knoten Sonnborn (BRD 1988, 16mm, 47min), Kamen Süd (zus. mit Barbara Kasper, BRD 1989, 16mm, 7min), Zwei zu Eins (D 1991, 16mm, 3min), Von der Reichskanzlei bis Paraguay (zus. mit Barbara Kasper, D 1992, 7min), Denkmalpflege (D 1993, 35mm, 7min), Fußvolk (D 1994, 35mm, 4min), Berliner Luft (zus. mit Barbara Kasper, D 1996, 35mm, 7min), Der Horizont (D 1996, 35mm, 4min), Ein Gleiches (D 1998, 35mm, 3min).
Philip Scheffner, Filmemacher, Video- und Soundkünstler, realisiert in seinen vielfach ausgezeichneten Filmen eine ganz eigene Art des politischen Denkens. Dicht recherchiert, ohne jemals zu klassischen Anordnungen eines sich sprechend präsentierenden Wissensvorsprungs zu werden, lässt er vielschichtige Denk-, Seh- und Hörräume und Raum für sinnliche Wahrnehmung entstehen. Er verwebt Geschichten, lässt sein Material zu gleichwertigen Protagonisten werden, übergibt die Filmdramaturgie dem Material, wird als Filmemacher selbst Material und betreibt Spurensuche mit stets offenen Anschlusspunkten. Bildern und Tönen gesteht er ein Eigenleben zu und bestimmt ihr Verhältnis immer wieder neu.
Scheffner war Mitglied des interdisziplinären Projekts Botschaft e.V., von 1991–1999 war er Teil der Berliner Autorengruppe und Produktionsfirma “dogfilm“. 2001 gründete er zusammen mit Merle Kröger die Produktionsfirma “pong“, eine Plattform "für Film, Text, Klang und all die Dinge dazwischen“. www.pong-berlin.de
Auf der Doppel-DVD Philip Scheffner / THE HALFMOON FILES & DER TAG DES SPATZEN werden Scheffners ersten beiden Langfilme veröffentlicht. Beide mehrfach ausgezeichneten Filme feierten jeweils beim Forum der Berlinale Premiere und sind im Verleihprogramm des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V.
THE HALFMOON FILES (D 2007, 87 min) folgt den Spuren des "Halbmondlagers" in Wünsdorf bei Berlin und deckt wie ein Memory-Spiel Bilder und Töne auf. Seinen Ausgang nimmt der Film bei der Tonaufnahme eines indischen Kolonialsoldaten, der während des Ersten Weltkriegs in diesem Kriegsgefangenenlager inhaftiert war. Das Rauschen und Knistern dieser Schellackplatte, die im Lautarchiv des Helmholtz-Zentrums der Humboldt-Universität zu Berlin eingelagert ist, wird zum Soundtrack einer Reihe von Gespenstern der Vergangenheit, deren Präsenz in unserer Gegenwart durch den Film sicht- und hörbar werden. www.halfmoonfiles.de
DER TAG DES SPATZEN (D 2010, 100 min) ist ein politischer Naturfilm. Er handelt von einem Land, in dem die Grenze zwischen Krieg und Frieden verschwindet. Am 14. November 2005 wird im holländischen Leeuwarden ein Spatz erschossen, nachdem er 23.000 Dominosteine umgeworfen hat. In Kabul stirbt ein deutscher Soldat in Folge eines Selbstmordattentates. Das Nebeneinander der Schlagzeilen wird zum Anlass für Philip Scheffner, sich mit den Methoden der Ornithologie auf die Suche nach dem Krieg zu machen. www.dertagdesspatzen.de
Biografie von Nanna Heidenreich