Direkt zum Seiteninhalt springen

In einem dritten Programmteil sollen die skizzierten Fragestellungen zum Kino in Umbruchzeiten und der Zeitzeugenschaft von Filmen anhand von acht bis zehn Filmen aus dem Arsenal-Archiv weiter diskutiert werden. Der thematische Kontext der Dekolonisation wird dabei präsent bleiben, aber nicht mehr unbedingt im Mittelpunkt stehen. Jede Auseinandersetzung mit dem sogenannten "Dritten Kino" – also einem Kino, das ja nicht einfach eine dekolonisierte Realität zeigt, sondern sich damit auseinandersetzt, wie Machtverhältnisse mit den Mitteln des Films zu dekolonisieren sind – zeigt jedoch, dass koloniale Gewalt immer auch Bildgewalt ist, eine Gewalt der Blicke, des "Framing" und der Stigmatisierung, und somit eine Gewalt, die sich des Kinos bedient, die das Kino aber auch brechen kann.

LADONI (Artur Aristakisjan, UdSSR 1990)
In Kischinjow gibt es einen Bettler, der den ganzen Tag lang durch die Straßen läuft und laut vernehmbar zu seinem ungeborenen Sohn spricht. Die Menschen hören ihm zu. Vor zwanzig Jahren sollte das Kind geboren werden, doch seine Braut hat es abgetrieben. [...] Ich habe den Film zwischen 1986 und 1990 gedreht und für ihn monatelang die Bettler begleitet. Sie waren bereit, sich vor der Kamera zu entblößen. Einer sagte mir sogar, dass er bereit sei, sich vor der Kamera zu töten, damit ich seinen Tod filmen könne.

SADY SKORPIONA (The Scorpions's Gardens, Oleg Kovalov, UdSSR 1991)
Aus den Fragmenten von Spionagefilmen, aus medizinischen, musi­kalischen, propagandistischen Streifen versuchten wir, eine surrealistische Phantasie über das sowjetische Tauwetter der 50er Jahre zu machen.

LE FRANC (Djibril Diop Mambety, Senegal 1994)  
Wovon träumt ein Musiker, der Sorgen hat, wenn nicht von seinem Instrument? Marigo träumt von seiner Congoma, die die boshafte Vermieterin aufgrund ausgebliebener Mietzah- lungen konfisziert hat. Dabei ist die Congoma sein ganzes Leben.

MABABANGONG BANGUNGOT (Der parfürmierte Alptraum, Kidlat Tahimik, Philippinen 1977)
Weit hinten bei den Amok-Bergen, in dem Dorf Balian, wohnt Kidlat Tahimik und träumt von der fernen großen Welt. Nur eine alte steinerne Brücke verbindet Kidlats Dorf aus Bambushütten mit der Zivilisation, aber er ist stolz und zuversichtlich: "Ich wähle mein Fahrzeug und kann jede Brücke überqueren." Und so probt er den Aufbruch, erst mit Spielzeug-Autos wechselnder Größe, dann mit seinem bunt bemalten "Jeepney", einem umgebauten amerikanischen Militärfahrzeug, mit dem Kidlat Tahimik Menschen und Waren transportiert.

WEST INDIES (Med Hondo, Frankreich 1979) erzählt von einer Insel im karibischen Meer, von der Geschichte des Volks der Antillen. Gestern noch herrschte die Sklaverei: die kräftigsten Männer und Frauen werden zu Millionen dem afrikanischen Kontinent entrissen; zwangsweise werden sie auf Sklavenschiffe verfrachtet und auf öffentlichen Plätzen verkauft.

Biografie von Tobias Hering